Die Tage davor


Intention

Auf jede Bergtour bereite ich mich, physisch und mental - so gut ich kann - vor. Wenn ich es als notwendig erachte, z.B. bei erhöhten Schwierigkeiten oder sehr hohen Gipfeln wie die Viertausender, mache ich vorab eine Erkundungstour, da ich gewohnt bin, alles selbst zu entscheiden und zu verantworten. Bei der Vorbereitung zu meiner Großglocknertour habe ich, neben aktuellen Tourenberichten und Bildern, auch älteres Bildmaterial studiert (Bildstudien 1-6).

Meine Tagebuchaufzeichnungen vor der Tour

Montag, 17.04.2006; Ich bin in Gedanken schon viel mit meiner Großglocknertour beschäftigt, wo ich in ca. zwei Wochen hin will. Ich werde wieder mit meinem Lieblingsseilpartner unterwegs sein - Josh*1, vom Pointe Helbronner am Mont Blanc. Wir zwei sind in den Bergen ein optimales Team. Er sagt mir genau, was zu tun ist. Am liebsten gehe ich mit ihm. Wir werden wieder sehr vorsichtig sein. Aber eine Garantie gibt es nicht. Ich freue mich sehr darauf - meine erste Berg-tour dieses Jahr.

Dienstag, 18.04.2006; Ich muss viel an den Großglockner, das Leitl und die Scharte denken. Quid Pro Quo - die Berge sind ehrlich. Ich werde überleben, so Gott will, mit meinem treuen Kameraden.

Samstag, 22.04.2006; Die Nasslawinengefahr ist sehr hoch - ob ich nächste Woche gehen kann, Richtung Hohe Tauern, ist sehr fraglich - zu viel Schnee und zu viele Gefahren im Hochgebirge. Ich mache nichts, was unterhalb meines Könnens liegt.

Sonntag, 23.04.2006; Gestern Mittag meine Sachen für die Bergtour nächste Woche gerichtet. Schade, dass mein Bruder nicht mit kann - er hat über den ersten Mai viele Gäste. Noch mehr schade, dass mein Sohn Christoph nicht mit kann - ich würde so gerne mit ihm was machen. Außerdem beherrscht er die Sicherungstechniken. (...) Wie kann ich kreativ sein und mich am besten ausdrücken? Vielleicht finde ich eine Antwort in den Bergen. Gerade hatte ich einen interessanten Besuch. Ein Vögelchen kam durchs gekippte Fenster in mein Zimmer. Obwohl ich ihm durch das Öffnen des Fensters sofort die Freiheit zurückgab, blieb es noch lange, etwa 1-2 Minuten, auf meinem Ordner sitzen und hat sich von mir auch fotografieren lassen. Bruder Franz lässt grüßen.

Montag, 24.04.2006; Denke ganz viel an den Großglockner und die Scharte vor dem Gipfel. Sie ist nicht ungefährlich - man braucht viel Mut. Ob ich sichern kann, wenn ich alleine bin? Wir werden sehen. Wohl eher nicht. Man muss es bringen, wie am Bossesgrat oder am Verbindungsgrat zwischen Piz-Palü-Ostgipfel und Hauptgipfel. Wenn ich stürze, werde ich laut schreien - wie der im Wasser versinkende Petrus "Herr rette mich". Ich glaube im Augenblick des Absturzes hat man keine Angst. Ich hatte sie nicht bei meinem Spaltensturz am Mont Blanc vor 1 1/2 Jahren. Im Gegenteil. Ganz klar im Kopf. Herr all meiner Gedanken und Empfindungen. Die Angst kam später. Der Tod wäre für mich nicht schlimm - ich könnte ihn annehmen. Gut annehmen. Er ist ein Freund - kein Feind. Ich freue mich, im Tod meinem Seilpartner begegnen zu dürfen. Am Mont Blanc ging es ruckartig abwärts - ich hatte aber immer noch Halt unter den Füßen, so dass ich Druck nach vorne geben, und mich heraus aufs Eis ziehen konnte. Also - mit Paulus sage ich: Sterben ist für mich Gewinn. Wenn es soweit ist, werde ich bereit sein. Und wenn es geht, werde ich mich bewusst einlassen, auf die 'letzte Reise'. Annehmen, was kommt - hoffen und sich freuen auf das, was dann kommt. Also - in der Scharte abstürzen will ich nicht. Ich werde beten, dass es nicht passiert - meine Mutter betet auch. Eine gute Mutter. Wenn Leute mich fragen, mit wem ich gehe, sage ich immer: Mit meinem Freund Josh von Chamonix; was nicht nur stimmt, sondern mir auch leidige Diskussionen und Rechtfertigungen erspart. Einen besseren Seilpartner*2 gibt es für mich nicht. Gabriela, meine Schwester, fragte mich heute, was er kann? Ich sagte, er kann ganz einfach alles. Er ist perfekt und hat viel Geduld mit mir. Ich bin sehr froh, dass ich ihn habe. Wie auf dem Weg nach Emmaus - übrigens meine Lieblingsostergeschichte - geht er immer mit - und zwar den ganzen Weg. In den Bergen haben wir bisher immer sehr gute Entscheidungen getroffen. Einmal sogar, letztes Jahr wäre ich morgens nicht von der Sustlihütte aufgebrochen, was die richtige Entscheidung gewesen wäre. So aber kamen wir, eine 14-köpfige Gruppe von Bergführern und Bergsteigern des DAV, beim Anstieg zum Grassen in allerschwerste Bergnot. Ein heftiges und lange anhaltendes Gewitter hätte uns beinahe alle umbracht. Aber - wir hatten riesiges Glück. Also Danke - Josh - für deine Seilgemeinschaft. Großglockner - wir kommen.

Dienstag, 25.04.2006; Alles vorbereitet und gerichtet für eine etwa einwöchige Bergtour. Auf der Stüdlhütte für Donnerstagnacht ein Matratzenlager bestellt. Wenn's irgendwie geht will ich am Freitagmorgen über die Adlersruhe, das Leitl, den Kleinglockner und die Scharte zum Gipfel. It's Just The Purpose. Werde direkt morgen Nachmittag nach der Arbeit nach Kals fahren und übermorgen zur Hütte aufsteigen. Dann werde ich weitersehen.

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*1 Im Verlauf dieses Tourenberichts werden Sie meinen Bergführer 'Josh' noch besser kennenlernen.

*2 Obwohl ich auch mit Anderen Bergtouren mache, fühle ich mich 'Alleine mit Josh' am wohlsten und am sichersten.

                                                                                                                                               Kurzbericht - Die Tage davor - Tag 1